Beinverlängerung bei Hüft-OP vorbeugen

03. Juli 2023

Das künstliche Hüftgelenk ist mit einer 97-prozentigen Patientenzufriedenheit die erfolgreichste Operation aller Zeiten. Dennoch können Komplikationen auftreten. Eine besonders lästige ist die unerwünschte Beinverlängerung. Wir sprechen darüber mit Prof. Dr. med. Christian Hendrich, dem Ärztlichen Direktor des Orthopädischen Krankenhauses Schloss Werneck.

Herr Prof. Hendrich – 97 % der Patienten mit einem künstlichen Hüftgelenk würden sich jederzeit wieder operieren lassen. Wie erklären Sie sich das?
Prof. Hendrich: Tatsächlich erreicht keine andere Operation und auch kein Medikament eine vergleichbare Patientenzufriedenheit. Ursache hierfür ist die unmittelbare Schmerzbefreiung. Fast alle unsere Patienten können bereits nach zwei Stunden aufstehen und sind ihre typischen Arthroseschmerzen dauerhaft los. 

Minimal-invasive OP-Technik, OP-Zeit unter einer Stunde, Blutverlust unter 200 ml – ist das künstliche Hüftgelenk überhaupt noch eine “große” OP?
Ja – denn es ist eine Operation tief im Körper. Die gefährlichen Risiken Infektion, Lungenembolie oder das Ausrenken liegen heute jeweils im Promillebereich – aber es gibt sie weiterhin und wir können sie trotz größter Sorgfalt niemals ganz ausschließen.

Was ist die störendste Komplikation?
Ganz klar – eine unerwünschte Beinverlängerung durch die Operation.

Wie oft kommt so etwas vor?
Etwa bei 1 % unserer Patienten. In der Bevölkerung sind Beinlängen von ±1cm ganz natürlich und daher als normal anzusehen. Durch die Wahl des passenden Hüftkopfes versuchen wir anhand unseres optischen Eindrucks während der OP und nicht zuletzt mit viel Erfahrung die Spannung der Hüftmuskulatur optimal einzustellen. Gelegentlich müssen wir einen Kompromiss eingehen und das Bein bewusst verlängern, um ein Ausrenken des Beins sicher zu vermeiden.

Dabei setzen Sie besonders auf eine sorgfältige Planung im Vorfeld?
Alle Patienten erhalten eine digitale Planung, die uns während der OP auf einem speziellen Großbildschirm eingeblendet wird.

Beinlängen-Scan mit dem Röntgenroboter Siemens RAX. Das System arbeitet verzerrungsfrei und erlaubt eine millimetergenaue Messung der Beinlänge.

In Europa sind Sie führend in der robotischen Chirurgie. Kann der Roboter Ihnen helfen?
Tatsächlich erlaubt der Roboter eine besonders exakte Einstellung der Beinlänge. Der Hersteller verspricht bis ±3mm – für den Patienten sollte eine Beinlängendifferenz also dauerhaft nicht spürbar sein. Fehler können allerdings durch eine falsche Beinlängenplanung vor der Operation passieren.

Aber auch hier gibt es neue technische Möglichkeiten?
Seit einigen Monaten arbeiten wir mit einem neuen System zur Messung der Beinlänge. Auch im Röntgen arbeiten wir heute mit einem Roboterarm, dem Siemens RAX. Der RAX fährt dabei die Beine von oben bis unten ab und erzeugt ein verzerrungsfreies Bild beider Beine und des Beckens. Die Strahlenbelastung ist dabei minimal, etwa ein Viertel einer normalen Beckenaufnahme. Mit dieser Technologie können wir die Beine millimetergenau vermessen.

Mit dieser Messung füttern Sie dann den Roboter. Für welche Patienten bieten Sie diese Kombination an?
Insbesondere allen Patienten, die bereits vor der Operation höhere Beinlängendifferenzen haben, z.B. bei der Hüftdysplasie oder nach Wirbelsäulenversteifungen, aber auch Patienten mit besonderen sportlichen Ansprüchen.